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Und niemand hatte Schuld (Eine Generationengeschichte)
Wenn du nach 1978 geboren wurdest, hat das hier nichts mit dir zu tun....
Verschwinde!
Kinder von heute werden in Watte gepackt...
Wenn du als Kind in den 50er, 60er oder 70 Jahren lebtest, ist es
zurückblickend kaum zu glauben, dass wir so lange überleben konnten!
Wir haben es tatsächlich geschafft.
Kaum zu glauben, aber es ist so.
Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, speziell was der Gesetzgeber und
die Bürokraten, die Medien und die Informationsgesellschaft uns täglich
vorbeten und verbieten, müssten wir alle, die in den Sechzigern bis Anfang der
Achtziger aufgewachsen sind, längst tot sein.
Unsere Kinderbetten waren mit bleihaltigen Farben bemalt und Formaldehyd
sickerte aus jeder Pore. Ganz zu schweigen vom Tapetenleim, dem Kleber, des
Linoleums oder den PVC-Dämpfen des Stragula. Wasserfeste Filzstifte hatten
Ausdünstungen die benebelten und wer erinnert sich noch an den leicht salzigen
Geschmack des abzuleckenden Tintenkillers?
Steckdosen, Medizinflaschen, Schranktüren und Schubladen waren noch nicht
kindersicher. Messer, Schere, Gabel und Licht wurden uns zwar verboten, aber
meistens mussten wir uns erst einmal daran verletzten um es zu glauben.
Unsere Fahrräder, Roller und Rollschuhe fuhren wir ohne Schützer und Helme.
Die Risiken per Anhalter in den nächsten Ort zu fahren waren uns unbekannt!
Zum Thema Auto erinnere ich mich weder an einen Sicherheitsgurt, noch an
Airbags, ABS oder ähnliche Sicherheitsvorrichtungen im Wagen meines Vaters. Man
saß zwar hinten, aber an einem heißen Sommertag gab es doch nichts schöneres
als seinen Kopf aus dem Fenster (das man damals noch komplett runterkurbeln
konnte) es fahrenden Autos zu stecken und sich den Fahrtwind ins Gesicht blasen
zu lassen, dass man kaum noch Luft bekam.
Wasser haben wir direkt aus dem Gartenschlauch getrunken und nicht aus einer
Flasche. Wahnsinn! Wir aßen fettige Schmalznudeln und frischgebackenes Brot
mit fingerdick Butter drauf, dazu gab es überzuckerte Limonaden oder
künstlich gefärbtes Tri Top. Fett geworden sind wir deswegen nie, weil wir immer
draußen waren. Wir haben zu fünft aus einer Limoflasche getrunken und es ist
tatsächlich keiner daran gestorben.
Wir haben stunden- und tagelang an Seifenkisten oder ähnlichen Gefährten
geschraubt, die wir aus rostigem Schrott und splitterigem Holz konstruiert
hatten. Dann sind wir den Hügel damit runtergebrettert nur um festzustellen, dass
wir die Bremsen vergessen hatten. Nachdem wir ein paar Mal in der Böschung
gelandet waren, haben wir gelernt auch dieses Problem zu lösen.
Wir gingen in der Früh raus und haben den ganzen Tag gespielt, höchstens
unterbrochen von Essenspausen und kamen erst wieder rein, als es dunkel wurde
und man den Fußball nicht mehr richtig sehen konnte. Wir waren nicht zu
erreichen. Keine Handys! Wenn es regnete spielten wir bei Freunden Monopoly oder
Mensch ärgere dich nicht, Mühle oder Dame und bauten mit Matchbox Autos ganze
Städte auf. Wir hatten weder Playstations oder Nintendo, X-Boxen oder
Videospiele, keine PCs, keine 50 Fernsehkanäle oder Surround Anlagen. Ins Kino zu
gehen war ein Ereignis, für das man sich herausputzte und das einem vor Vorfreude
den Magen kribbeln ließ. Es gab noch Vorfilme, die immer eine Überraschung
waren, weil keiner wusste was zu erwarten war und wenn zufällig ein Donald
Duck oder Micky Maus Film dabei war, hatte man das ganz große Los gezogen.
Wir hatten Freunde! Wir gingen raus und haben uns diese Freunde gesucht. Wir
haben Fußball gespielt mit allem was sich kicken ließ und wenn einer einen
echten Lederball hatte war er der King und durfte immer mitspielen, egal wie
schlecht er war. Um im Verein mitspielen zu dürfen gab es Aufnahmeprüfungen,
die nicht jeder bestanden hat. Wer es nicht geschafft hat, lernte mit der
Enttäuschung umzugehen. Wir spielten Völkerball bis zum Umfallen und manchmal tat
es weh, wenn man abgeworfen wurde. Wir sind von Bäumen und Mauern gestürzt,
haben uns geschnitten, aufgeschürft und haben uns Knochen gebrochen und Zähne
ausgeschlagen. Wir hatten Unfälle! Es waren einfach Unfälle an denen wir
Schuld waren. Es gab niemanden, den man dafür verantwortlich halten konnte und
vielleicht sogar noch vor den Kadi zerrte. Wer erinnert sich noch an Unfälle?
Unsere Knie und Knöchel waren von Frühjahr bis Herbst lädiert und ein
Schienbein ohne blaue Flecke gab es
nicht. Wenn wir uns an Brennnesseln gebrannt haben, oder uns eine Mücke
gestochen hatte, haben wir entweder drauf gespuckt, oder den Nachbars Hund drüber
lecken lassen oder drauf gepinkelt. Geholfen hat alles.
Wir haben gestritten und gerauft, uns gegenseitig grün und blau geprügelt
und gelernt damit zu leben und darüber weg zu kommen. Wir haben Spiele erfunden
mit Stöcken und Bällen, haben mit Ästen gefochten und Würmer gegessen. Und
obwohl es uns immer wieder prophezeit wurde, haben wir kaum ein Auge
ausgestochen und die Würmer haben auch nicht in uns überlebt. Wir sind zu einem Freund
geradelt, haben an der Tür geläutet und sind dort geblieben nur um mit ihm
zu reden.
Manche Schüler waren nicht so schlau wie andere, also haben sie eine Klasse
wiederholt. Sie sind nicht durchgefallen, sondern wurden von den Lehrern
einfach zurückgestuft. Zensuren bei Proben wurden nie manipuliert, egal aus was
für Gründen. Wir waren für unsere Aktionen selbst verantwortlich. Konsequenzen
waren immer zu erwarten, wenn wir Scheiße gebaut hatten. Der Gedanke, dass
ein Elternteil uns rausklopft wenn wir mit dem Gesetz in Konflikt geraten
waren, war undenkbar. Im Gegenteil, die Eltern stellten sich auf die Seite des
Gesetzes. Stellen Sie sich das einmal vor!
Unsere Generation hat einige der größten Enterpreneure und Erfinder
hervorgebracht. Die letzten 50 Jahre waren eine wahre Explosion an Innovationen und
Ideen. Wir hatten Freiheit und Zwang, Erfolg und Misserfolg. Verantwortung und
Konsequenz. Und wir haben gelernt damit umzugehen. Erinnere Dich daran, wie
Du aufgewachsen bist und Du wirst sehen, was unseren Kindern heute fehlt. Als
die Eltern einmal ein Auge zudrückten, anstatt die Kinder mit übergroßer
Vorsicht zu erdrücken. Unsere Eltern trauten uns zu die richtigen Entscheidungen
zu treffen. Meistens hat es geklappt. Die paar Mal, die daneben gingen
zählen wir zu unseren
Lebenserfahrungen.
Und du gehörst auch dazu.
Herzlichen Glückwunsch!
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